Deine Faulheit könnte mehr bedeuten

Thumbnail "Deine Faulheit"

Nur eine verschwindende Minderheit meiner Klientinnen kommt zu mir und sagt, dass sie unter Burnout leidet und weniger tun sollte. Die meisten bestehen darauf - wie du wahrscheinlich auch, Wild Spirit du - dass sie einfach faul sind, dass sie Zeit hätten, wenn sie sich nur zusammennehmen würden.

In Wahrheit ist mehr dran als persönliches Versagen. Viel mehr. Und obwohl ich darüber schon gesprochen habe, ist es Zeit, dass ich die zugrunde liegenden Gründe nenne, die systemischen Gründe, warum fast jede Frau dieses Gefühl hat, vor allem Frauen der “Generation X” - meine Klientinnen.

Nehmen wir deine “Faulheit” mal unter die Lupe.

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Rückblick: Warum du nicht faul bist

Bevor ich auf die systemischen Gründe eingehe, fasse ich kurz meine Meinung zu Faulheit zusammen. Wenn du das schon mal von mir gehört hast, bleib dran - Wiederholung ist gut fürs Gedächtnis. Wenn du hier neu bist, bringt es dich auf den neuesten Stand zum Thema.

Ich sage oft, dass ich noch nie einen faulen Menschen getroffen habe. Diejenigen, die sich für faul halten, was wir wohl alle manchmal denken, haben oft übersteigerte Erwartungen an sich. Im Grunde erwarten wir, 24/7 aktiv und produktiv zu sein. Es gibt sogar Programme, die effektiven Schlaf versprechen (ja, wirklich).

Die Gesellschaft ist auf Produktivität und ständiges Tun fokussiert. Das Netteste, was man über jemanden sagen kann, ist, dass er oder sie “immer hart arbeitet”. Unser Ideal ist es, gestresst zu sein, und das bringt uns um.

Stress macht ganz buchstäblich süchtig. Das Adrenalin fühlt sich im Körper gut an. Dabei ist Stress darauf angelegt, nur kurzfristig aufzutreten. In der Frühgeschichte mussten wir Ressourcen haben, um unmittelbaren Gefahren zu entkommen. Wenn wir gestresst sind und das Adrenalin dann nicht verbrauchen (indem wir weglaufen oder kämpfen), bleibt es im Körper und führt zu Burnout.

Ecke eines Tisches mit Tasse, Laptop und Notizblöcken sowie Leuten, die in einem Meeting sind und Notizen machen.

Ruhen ist der Feind

Ich habe auch schon über das ererbte Trauma gesprochen, das durch die Gene zu uns gekommen ist (ja, Trauma kann vererbt werden, dazu gibt es inzwischen Studien). Bei genetischen Erinnerungen daran, dass wir buchstäblich dafür geschlagen wurden, wenn wir eine Pause machten oder nicht arbeiten wollten, ist es kaum verwunderlich, dass wir Probleme haben abzuschalten.

Es ist schwer zu glauben, aber es gab eine Zeit, als Müßiggang eine akzeptierte Lebensweise war. “Lebenskünstler” wurden sogar dafür bewundert, dass sie die einfachen Dinge im Leben genossen. Dann kam die Industrielle Revolution und damit wurde es nötig, die Massen aus offensichtlichen Gründen davon zu überzeugen, dass Arbeit der einzige Weg sei, ein anständiger Mensch zu sein.

Bedenkst du, dass du dieses Erbe mit dir herumträgst, dann wunderst du dich nicht mehr, warum es so schwierig ist, sich zu entspannen. Selbst das zu tun, was du liebst, wird oft in einen Zeitplan gequetscht oder muss Ansprüchen in puncto Leistung oder Fortschritt entsprechen.

“Wenn ich mich ausruhe, habe ich das Gefühl zu versagen,” stellte eine meiner Klientinnen fest. Die meisten können ein Schläfchen oder auch nur eine echte Pause allein damit rechtfertigen, dass es sie wieder auftankt, zum Weiterarbeiten bereit und produktiv hält.

Eine Parkbank im gefilterten Sonnenschein, umgeben von Grün und von lila Blumen.

Der systemische Grund

Vielleicht argumentierst du, dass die Industrielle Revolution vorbei ist, Arbeiter und Angestellte heutzutage Rechte haben und niemand mehr zu 80-Stunden-Wochen geprügelt wird. Es muss doch möglich sein, ererbtes Trauma zu überwinden?

Das ist es auch. Aber das Problem endet nicht damit. Wir befinden uns nicht mehr im industriellen, sondern im Informations-Zeitalter, auch Überwachungskapitalismus genannt. Ohne jetzt zu politisch zu werden, sollte es klar sein, dass sich unser Kapitalismus dahin entwickelt hat, dass er ständiges Wachstum anstrebt. Manche sagen, dass das die Natur des Kapitalismus ist, aber es gibt auch andere Wege.

Tatsächlich ist die Annahme von und das Bedürfnis nach ständigem Wachstum historisch gesehen relativ neu, erst einige Jahrzehnte alt. Wachstum war schon immer gut, aber lange Zeit galt eine Firma, die ihre Kundenzahl Jahrzehnte lang beibehielt und ähnlich hohe Umsätze mit der gleichen Anzahl Angestellten produzierte, als erfolgreich.

Ich überspringe die Details, aber im Grunde wächst eine Wirtschaft dadurch, dass die Leute mehr Zeug kaufen. Und das tun sie nicht, wenn sie zufrieden sind und ihren Hobbys und Interessen nachgehen. Sie müssen unzufrieden sein, um sowohl mehr zu arbeiten als auch zu konsumieren. Und wenn das zur Normalität wird, brennen die Menschen zu Hauf aus, ohne es zu merken.

Vielleicht bist du ja nicht faul oder versagst. Vielleicht leidest du an einer schleichenden Form des Burnouts: einem emotionalen Burnout oder geistiger Erschöpfung. Beide sind eine direkte Folge davon, wie wir leben und wie sehr dieser Lebensstil zum Ideal geworden ist.

Frau sitzt auf der Sofalehne mit Handy am Ohr und Laptop auf den Knien.

Warum es so schwer ist zu tun, was du liebst

Wenn sich alle über etwas einig sind, gehört mehr als “kritisches, unabhängiges Denken” dazu, gegen den Strom zu schwimmen. Es ist schwer. Die Gesellschaft schlägt zurück. Sie weiß, wie sie uns Angst einflößt, wir könnten den Lebensunterhalt verlieren und auf der Straße landen; Angst davor, allein und ohne Freunde zu sterben.

Das Idealbild, das uns unablässig in der Werbung, in Filmen und anderen Medien vorgehalten wird, ist kein wirklich menschliches Ideal. Es ist das Ideal eines Menschen, der perfekt das Wirtschaftswachstum fördert. Daher liegt es nicht an dir, dass du es nicht erreichst; das sollst du gar nicht. Du sollst Zeitmanagement betreiben, dich bemühen und scheitern und dich schlecht fühlen.

Wenn ich davon spreche, zu entschleunigen und das Leben zu vereinfachen, Nein sagen zu lernen und Grenzen zu setzen, höre ich oft: “So einfach ist das nicht!” Natürlich nicht - das habe ich ja auch gar nicht behauptet! Warum, glaubst du, brauchen die Leute Coaching dafür? Es ist wie bergauf Rad fahren, und dauernd besteht die Versuchung, loszulassen und den Berg wieder runterzurollen, zusammen mit dem Rest der Menschheit, allen Freunden und Familienmitgliedern, und “normal” zu sein. Ohne handfeste Unterstützung und feste Gewohnheiten, die über Monate entwickelt werden müssen, hast du keine Chance.

Was passiert, wenn du dich entschließt, daran zu arbeiten, ist unbeschreiblich. Es ist, wie aus der Matrix aufzuwachen, nur nicht in einer dystopischen Zukunft, sondern in einer wunderschönen Welt (trotz der Herausforderungen). Du hast Spaß, lachst viel und bist erstaunt darüber, wie glücklich du bist.

Ist es das wert? Wenn du mich oder eine meiner Klientinnen fragst, hörst du ein überzeugtes: “Ja!”

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