Wild Spirits Coaching

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Liest du eigentlich noch? -Warum wir weniger lesen

Im Laufe des letzten Jahres habe ich viel über den Einfluss der modernen Medien auf unser Gehirn und damit auch unser Verhalten gelesen und recherchiert. Was mich dabei wie ein Schlag getroffen hat - ich glaube, es war in Oliver Burkmanns Buch 4000 Wochen -, war die Bemerkung, dass kaum noch jemand liest.

Die Aufregung darum ist ja so alt wie die Druckerpresse (die ca. 1450 erfunden wurde, falls du das nicht wusstest). Gelehrte haben sich immer darüber moniert, dass die Leute nicht mehr lasen, anstatt sich mit belangloser Unterhaltung abzugeben. Als das Radio und später das Fernsehen erfunden wurde, klagten Eltern, dass ihre Kinder aufgehört hätten zu lesen, weil sie nur noch Radio hören bzw. fernsehen wollten.

Als das Internet massenfähig wurde, kam das alte Argument wieder auf. Allerdings haben wir diesmal tatsächlich Daten, und sie sind besorgniserregend, genau wie die Forschungsergebnisse, die auf ein viel größeres Problem hindeuten.

Sehen wir uns das Leseverhalten mal an und finden heraus, wie du dem Trend entgegenwirken kannst.

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Sämtliche Vorbehalte

Ich möchte mit ein paar Disclaimern anfangen. Natürlich stimmt es nicht, dass “niemand mehr liest”. Damit würde ich nur die uralten Unkenrufe wieder aufwärmen und sagen, dass alles schlechter geworden ist. Das ist viel zu vereinfacht und lässt Differenzierungen nach Faktoren wie Alter, Generation, Herkunft, sozialer Status etc. außer Acht.

Trotzdem ist ein gewisser Grad an Verallgemeinerung notwendig, um ein so weites Themenfeld zu beschreiben. Bitte sei dir daher im Klaren, dass ich nicht unbedingt dich meine. Mir ist bewusst, dass es viele Ausnahmen gibt.

Hier geht es um generelle Trends, die von gründlicher Forschungsarbeit belegt wurden. Und weil das hier der Blog einer Coachin ist und keine Wissenschaftszeitschrift, ziehe ich auch meine eigenen Erfahrungen mit in Betracht, sowohl meine persönlichen als auch die mit meinen KlientInnen.

Alles gut? Dann legen wir los.

 

Wissenschaftliche und weniger wissenschaftliche Daten

Verschiedene Studien fanden heraus, dass mit Ausnahme des Jahres 2020 (als es die ersten Lockdowns gab) das Lesen von Büchern stetig zurückgegangen ist. Im Durchschnitt sehen die Zahlen gar nicht so schlecht aus, denn es sind nur zwei oder drei Bücher weniger pro Jahr und Person.

Diese Entwicklung ist jedoch aus zwei Gründen besorgniserregend:

  1. Zwei oder drei Bücher pro Jahr, auf ein paar Jahrzehnte gerechnet, sind eine ganze Menge weniger.

  2. Der Durchschnitt umfasst natürlich auch Leute, die gar nicht oder kaum lesen. Da gibt es keinen Rückgang, weil sie sowieso noch nie gelesen haben.

Das alles bedeutet, dass der wirklich dramatische Rückgang unter den Menschen geschieht, die früher sehr viel gelesen haben. Ich habe in meinen besten Zeiten ein Buch am Tag verschlungen. Natürlich hängt das auch vom Buch ab - niemand liest Krieg und Frieden an einem Tag (ja, ich weiß, dass es Speedreading gibt, aber ich spreche vom Lesen als Hobby und nicht von etwas, das wie eine olympische Disziplin aussieht). Und obwohl ich immer noch gern und regelmäßig lese, lässt sich nicht abstreiten, dass ich weniger lese.

Eine Probeumfrage unter FreundInnen und KlientInnen erbrachte, dass ich tatsächlich auf ein Problem mit gigantischen Ausmaßen gestoßen war.

Wie wir unsere Konzentration verlernt haben

Auf den ersten Blick erscheint der Grund auf der Hand zu liegen: Wenn mehr und leichter zugängliche Medien vorhanden sind, sinkt die Zeit, die man für jedes einzelne davon hat. Rein mathematisch hast du nur noch 1 ½ Stunden Zeit zum Lesen, wenn du jetzt anstatt 3 Stunden lesen auch noch 1 ½ Stunden im Internet surfst.

In Wirklichkeit ist es aber nicht so klar umrissen und offensichtlich. Natürlich gibt es neue Medien, aber gleichzeitig sind ältere Medien zugänglicher und anpassungsfähiger geworden. Vor Jahrzehnten stand das Fernsehprogramm fest und Sendungen wurden zu festen Zeiten ausgestrahlt. Außerhalb davon machte man eben etwas anderes, um sich zu beschäftigen.

Heutzutage ist “on demand”-Fernsehen die Norm. Dazu kommen Netflix und soziale Medien und du hast ständige Unterhaltung auf Knopfdruck.

Das Schlimmste daran ist, wie sehr sich unsere Aufmerksamkeitsspanne verkürzt hat. Während ich mich früher stundenlang in Bücher vertiefen konnte, blicke ich jetzt viel häufiger auf und verspüre manchmal den Drang, mein Smartphone zu checken.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass heutzutage, wo es auch am Arbeitsplatz Messenger- und Chatdienste gibt, Büroangestellte so oft unterbrochen werden, dass sie nur ca. 3 Stunden Arbeit am Tag zustande bringen. Ja, ich spreche von Vollzeitangestellten! Studien fanden außerdem heraus, dass es nach jeder Ablenkung - schnell die E-Mails checken oder eine Message vom Chef - durchschnittlich 23 Minuten (!!) dauert, bis man wieder voll konzentriert ist.

Wenn du jetzt nachrechnest, wird dir klar, dass die meisten Leute auf der Arbeit nie dazu kommen, sich voll zu konzentrieren. Und weil damit die Gewohnheit verschwindet, konzentrieren wir uns auch nicht mehr auf Leidenschaften wie das Lesen. Wir haben es einfach verlernt.

Was du tun kannst

Wenn du es wie ich vermisst, eine große Anzahl von Büchern zu lesen und wie viel Spaß das gemacht hat, folgen hier ein paar Dinge, die du tun kannst. Wenn sie dir bekannt vorkommen: Ja, das ist das Gleiche, was ich vorschlage, wenn es generell um Stressreduzierung und Vereinfachung geht. Es läuft immer auf die gleichen paar Probleme hinaus, aufs Entschleunigen und darauf, mit Achtsamkeit und Intention das tägliche Leben zu gestalten.

  • Lösche Apps für soziale Medien und E-Mails von deinem Smartphone. Es reicht nicht, nur die Benachrichtigungen auszuschalten. Checke einfach E-Mails und soziale Medien zweimal am Tag vom PC aus.

  • Auf deinem Handy schaltest du die Benachrichtigungen für SMS und Messages aus. Die checkst du dann auch zweimal am Tag und nimmst dir zehn Minuten Zeit, um sie zu beantworten.

  • Leg eine Uhrzeit am Abend fest, nach der du nichts mehr tust, was mit einem Bildschirm zu tun hat. Dein (offline-)Kindle ist eine Ausnahme! Unterhalte dich mit deinen Liebsten, hör Musik oder lies in der Tat ein Buch.

  • Nimm dir gelegentlich einen ganzen Abend oder Wochenendtag “medienfrei”. An diesen Tagen kannst du spazierengehen oder wiederum lesen.

Lesen erfordert Zeit, aber vor allem auch Fokus. Wir sind von Hard- und Software umgeben, die einzig mit der Absicht designt worden sind, unsere Aufmerksamkeit gefangenzuhalten. Um sie dir wieder zurückzuerobern, musst du darum kämpfen und mit dir selbst streng sein.

Ich habe es geschafft und kann bestätigen, dass es die Mühe wert ist. Meine Konzentrationsfähigkeit steigt endlich wieder und das ist ein tolles Gefühl.